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In einer Welt, die von Planbarkeit besessen ist, kann bewusstes Loslassen der Schlüssel zu echter Führungsstärke werden. Dieser Artikel zeigt dir, warum Kontrolle oft das Gegenteil bewirkt und wie du als Führungskraft durch Vertrauen und Rahmengebung echte Stabilität schaffst.
Die Planungsfalle im November
Kennst du das? Es ist November, und während du noch mitten im Jahresendspurt steckst, liegt schon der dicke Ordner oder die Excel-Tabelle für die Planung des nächsten Jahres auf deinem Schreibtisch. Das alte Jahr ist noch nicht abgeschlossen – aber das neue will schon bis ins Detail geplant werden.
Und genau hier passiert oft etwas Typisches: Wir wollen Sicherheit schaffen, indem wir so viel wie möglich festzurren. Jedes Projekt bekommt einen Plan, jeder Euro eine Zeile im Budget, jede Aufgabe einen Haken in der To-do-Liste.
Manchmal fühlt sich Führung in dieser Phase an, als würdest du einen Drachen festbinden wollen, damit er nicht davonfliegt. Nur: Ein festgebundener Drachen fliegt nicht – er hängt.
“Stell dir vor, du sitzt vor dem Planungsdokument für das kommende Jahr. Du spürst, wie der Druck steigt, alles richtig vorherzusehen und festzulegen. Doch gleichzeitig weißt du: Die Welt wird sich nicht an deine Excel-Tabelle halten.”
Warum Kontrolle so verführerisch ist
Kontrolle ist für Führungskräfte wie Schokolade: Verführerisch, beruhigend – und auf Dauer nicht unbedingt gesund. Sie vermittelt uns das Gefühl von Sicherheit. Denn wer kontrolliert, glaubt, die Dinge im Griff zu haben.
Gerade in Unternehmen ist diese Logik tief verankert:
- Budgets werden monatelang geplant
- KPIs in Tabellen gegossen
- Jahresziele bis auf die dritte Kommastelle durchgerechnet
Das vermittelt den Eindruck, man könne Unsicherheit dadurch zähmen. Und natürlich: Pläne sind wichtig. Sie geben Orientierung, schaffen Vergleichbarkeit, helfen bei Entscheidungen. Aber der Haken ist: Die Realität hält sich nicht an Excel.
Warum ist Kontrolle trotzdem so verführerisch?
- Weil unser Gehirn nach Vorhersagbarkeit sucht. Studien zeigen: Menschen fühlen sich wohler, wenn sie glauben, Entwicklungen kontrollieren zu können – auch wenn diese Kontrolle oft nur Illusion ist.
- Kontrolle reduziert Angst – kurzfristig.
Doch genau hier beginnt das Problem: Wir verwechseln die Illusion von Sicherheit mit echter Stabilität. Ein Plan kann beruhigen – aber er schützt nicht vor Überraschungen. Und je mehr wir versuchen, jedes Detail im Voraus zu bestimmen, desto unflexibler werden wir.
Kontrolle fühlt sich also gut an – aber sie ist oft eine Beruhigungstablette, kein Heilmittel.
Die Kehrseite der Planung – wenn Kontrolle blockiert
Die Kehrseite zeigt sich spätestens dann, wenn wir merken: Unser schöner Plan passt nicht mehr zur Realität.
- Vielleicht kippt ein Projekt wegen externer Faktoren
- Vielleicht springt ein wichtiger Kunde ab
- Vielleicht wirft eine politische Entscheidung die Märkte durcheinander
Und was passiert dann? Statt flexibel zu reagieren, klammern wir uns noch stärker an die Pläne. Wir fangen an, nach Schuldigen zu suchen, Tabellen zu korrigieren, Meetings zu verdoppeln – in der Hoffnung, durch noch mehr Kontrolle wieder Herr der Lage zu werden.
Das Ergebnis:
- Teams fühlen sich eingeengt. Wenn jede Abweichung sofort sanktioniert wird, geht die Lust am Gestalten verloren.
- Führungskräfte verlieren Flexibilität. Statt Chancen zu nutzen, kämpft man darum, Pläne zu “retten”.
- Energie geht verloren. Der Fokus liegt nicht mehr auf Wertschöpfung, sondern auf Kontrolle.
Kontrolle kann also Orientierung geben – aber zu viel Kontrolle lähmt. Sie nimmt Menschen die Luft zum Atmen. Und ein Team, das keine Luft mehr hat, wird nicht leistungsfähiger – sondern müder.
Loslassen als Führungsqualität
Loslassen klingt für viele nach Kontrollverlust. Fast so, als würde man sagen: “Mir ist egal, was passiert.” Doch genau das ist ein Missverständnis. Loslassen bedeutet nicht Gleichgültigkeit – es bedeutet, bewusst Freiräume zu geben.
Die Haltung dahinter ist: Ich vertraue darauf, dass mein Team Verantwortung übernehmen kann. Ich setze den Rahmen, aber ich halte nicht jede Leine selbst fest.
Warum ist das so wichtig?
Weil Führung heute nicht mehr in einem stabilen, berechenbaren Umfeld stattfindet. Wir sind in komplexen Systemen unterwegs. Da funktioniert Steuerung nicht mehr über Mikro-Kontrolle, sondern über klare Prinzipien, Vertrauen und Anpassungsfähigkeit.
Loslassen als Führungsqualität heißt also:
- Den Mut haben, nicht alles vorhersehen zu können
- Die eigene Rolle neu verstehen: vom “Alleslenker” zum “Rahmensetzer”
- Vertrauen schenken – und wissen, dass auch Irrtümer Teil des Prozesses sind
Ein Team, das losgelassen wird, arbeitet nicht chaotisch. Es arbeitet oft motivierter, kreativer, eigenständiger. Denn Loslassen schafft Raum für Verantwortung. Und genau das ist heute der Schlüssel zu echter Stabilität.
5 Prinzipien für mehr Loslassen im Führungsalltag
Wie sieht Loslassen als Führungsqualität in der Praxis aus? Diese fünf Prinzipien kannst du direkt in deinem Führungsalltag ausprobieren:
1. Rahmen setzen statt Details diktieren
Viele Führungskräfte tappen in die Falle, jedes Detail vorgeben zu wollen: Welche Schritte zu gehen sind, in welcher Reihenfolge, mit welchem Zwischenbericht. Das fühlt sich nach Kontrolle an – aber es nimmt dem Team jede Eigenverantwortung.
Loslassen heißt: Du setzt den Rahmen. Du machst klar, welches Ziel erreicht werden soll, welche Spielregeln gelten, und welche Grenzen nicht überschritten werden dürfen. Aber den Weg dorthin gestaltest du nicht im Detail.
Ein Beispiel: Anstatt zu sagen “Schreibe die Präsentation mit zehn Folien, Punkt A bis J”, sagst du: “Wir brauchen eine Präsentation, die den Vorstand in 15 Minuten überzeugt. Welche Argumente bringen wir am stärksten rüber?”
So entsteht Verantwortung im Team – und oft auch mehr Kreativität. Denn Menschen, die Freiraum haben, finden Wege, auf die du selbst gar nicht gekommen wärst.
2. Iterativ planen statt Masterplan
Planung ist wichtig. Aber der Versuch, das ganze nächste Jahr bis ins Detail durchzuplanen, ist wie eine Landkarte für ein Gebiet zu zeichnen, das sich ständig verändert. Am Ende stimmen die Wege nicht mehr.
Loslassen heißt: Plane in Etappen. Setze klare Zwischenziele, überprüfe regelmäßig, was noch passt, und passe an. Iteratives Planen nimmt Druck raus, weil nicht jede Abweichung ein Scheitern ist, sondern schlicht Teil des Prozesses.
Iteratives Planen ist Loslassen im besten Sinne: Du akzeptierst, dass die Zukunft nicht berechenbar ist – und schaffst trotzdem Orientierung im Hier und Jetzt.
3. Vertrauen schenken – und Verantwortung klar machen
Loslassen funktioniert nur, wenn Vertrauen im Spiel ist. Und Vertrauen bedeutet nicht “mach einfach, wie du willst”. Vertrauen heißt: Ich traue dir zu, Verantwortung zu übernehmen – und ich bin da, wenn du Unterstützung brauchst.
Viele Führungskräfte haben Angst, dass Vertrauen ausgenutzt wird. Aber die Erfahrung zeigt: Wenn du Vertrauen sichtbar aussprichst, übernehmen die meisten Mitarbeitenden mehr Verantwortung, nicht weniger.
Das kann konkret so aussehen: “Dieses Projekt gehört dir. Du entscheidest, wie du das Budget einsetzt. Ich will einmal pro Woche ein kurzes Update, ansonsten vertraue ich dir.”
So ist klar: Die Verantwortung liegt bei der Person – und gleichzeitig gibt es Orientierung.
Natürlich gehört dazu auch eine Fehlerkultur: Loslassen heißt, akzeptieren, dass nicht alles perfekt läuft. Aber genau in diesen Momenten zeigt sich der Unterschied: Ein Team, das Vertrauen spürt, wächst an Fehlern. Ein Team, das nur Kontrolle erlebt, versteckt sie.
4. Selbst loslassen – Kontrolle über die eigene Kontrolle
Oft merken Führungskräfte gar nicht, wie viel Energie sie selbst in unnötige Kontrolle stecken. Ein Klassiker: Alles gegenlesen. Jede Entscheidung doppelt absegnen. Bei jedem Meeting selbst dabei sein.
Selbst loslassen heißt: Frag dich ehrlich – “Was wäre das Schlimmste, wenn ich hier nicht eingreife?” Und in 80 Prozent der Fälle wirst du merken: Das Schlimmste ist vielleicht eine kleine Abweichung. Und die ist weniger schlimm, als deine Zeit und Energie ständig in Kontrolle zu binden.
[PLACEHOLDER FÜR TESTIMONIAL]
Selbst loslassen heißt nicht, dich rauszuziehen. Es heißt, bewusst zu entscheiden, wo deine Energie den größten Unterschied macht.
5. Intuition nutzen – den inneren Kompass einbeziehen
Loslassen hat viel mit Intuition zu tun. Denn es gibt keine Excel-Formel, die dir sagt: “Hier kannst du Kontrolle abgeben, hier nicht.”
Es gibt Situationen, da brauchst du enge Führung – etwa in einer Krise, in der jede Minute zählt. Und es gibt Situationen, da ist Loslassen der Schlüssel zu Motivation und Innovation.
Den Unterschied spürst du oft eher, als dass du ihn berechnest. Das ist Intuition. Und Intuition ist nichts Mystisches. Sie speist sich aus deiner Erfahrung, deinem Wissen, deinem Gefühl für Menschen und Kontexte.
Das Spannende: Je mehr du lernst, auf diesen inneren Kompass zu vertrauen, desto leichter fällt dir das Loslassen. Weil du merkst: Ich lasse nicht ins Chaos los, sondern in einen Raum, den ich verstehe.
“In meinem Buch ‘Neue Wege der Führung’ widme ich ein eigenes Kapitel der Intuition, weil sie genau hier eine Schlüsselrolle spielt: Sie hilft dir, loszulassen – ohne dich verloren zu fühlen.”
Loslassen als Führungsstärke – nicht als Schwäche
Loslassen bedeutet nicht, Kontrolle wegzuwerfen. Es bedeutet, sie neu zu definieren:
- Rahmen setzen
- Iterativ planen
- Vertrauen schenken
- Eigene Kontrolle überprüfen
- Intuition nutzen
Das ist kein einmaliger Schritt, sondern eine Haltung. Und je öfter du es übst, desto klarer wird: Loslassen ist keine Schwäche. Es ist eine Führungsstärke.
Gerade im November, wenn die Jahresplanung für das nächste Jahr auf Hochtouren läuft, ist das eine besondere Herausforderung. Der Reflex, alles detailliert planen und absichern zu wollen, ist groß. Aber die eigentliche Stärke liegt darin, Klarheit zu geben – und trotzdem Luft zu lassen. Denn dein Team braucht Orientierung, aber eben auch Freiraum, um Verantwortung zu übernehmen.
Und hier kommt Intuition ins Spiel: Dein innerer Kompass hilft dir zu spüren, wo Loslassen klug ist – und wo Steuerung notwendig bleibt. Genau das beschreibe ich auch in meinem Buch Neue Wege der Führung. Dort geht es darum, wie Intuition gerade in komplexen Situationen eine Ressource sein kann, die uns als Führungskräften den entscheidenden Unterschied gibt.
Reflexionsfragen für deinen Führungsalltag
Nimm dir einen Moment Zeit und denke über diese Fragen nach:
- In welcher Situation hast du zuletzt deine Intuition gespürt und bist ihr (nicht) gefolgt?
- Welches konkrete Zeichen könntest du deinem Team geben, dass du ihnen vertraust?
- Wo wartet in deinem Arbeitsalltag eine kleine Entscheidung auf dich, bei der etwas Mut nötig ist?
- Was wäre, wenn du ab sofort jede Woche eine riskante, aber zukunftsweisende Idee aufnimmst und testest, ob sie im Kleinen realisierbar ist?
Diese Fragen haben keine schnelle Musterlösung. Sie sind vielmehr eine Einladung, dein persönliches Führungsverständnis aktiv zu gestalten.
FAQ: Loslassen in der Führung
Bedeutet Loslassen, dass ich keine Kontrolle mehr habe?
Nein, Loslassen bedeutet nicht Kontrollverlust. Es bedeutet, den Fokus deiner Kontrolle zu verlagern: weg von Mikromanagement und Details, hin zu Rahmensetzung und Prinzipien. Du behältst den Überblick, ohne jede Einzelentscheidung zu treffen.
Wie kann ich loslassen, wenn ich für die Ergebnisse verantwortlich bin?
Genau das ist die Kunst: Verantwortung behalten, ohne alles selbst zu machen. Der Schlüssel liegt darin, klare Erwartungen zu setzen, regelmäßiges Feedback zu etablieren und eine Kultur zu schaffen, in der Menschen eigenverantwortlich handeln. So bleibst du informiert, ohne ständig eingreifen zu müssen.
Was, wenn mein Team noch nicht bereit ist für mehr Eigenverantwortung?
Loslassen ist ein Prozess. Beginne mit kleinen Schritten: Übertrage zunächst überschaubare Aufgaben mit klaren Grenzen. Gib Feedback, feiere Erfolge, lerne aus Fehlern. Mit der Zeit kann der Freiraum wachsen – und damit auch die Fähigkeit deines Teams, Verantwortung zu übernehmen.
Wie erkenne ich, ob ich zu viel oder zu wenig loslasse?
Achte auf diese Anzeichen: Wenn du ständig überlastet bist, Entscheidungen auf dich warten oder dein Team frustriert wirkt, kontrollierst du vermutlich zu viel. Wenn hingegen Fehler sich wiederholen oder wichtige Dinge durchs Raster fallen, könnte mehr Struktur nötig sein. Deine Intuition gibt dir oft den besten Hinweis.
Kann jede Führungskraft lernen loszulassen?
Ja, aber es braucht Übung und manchmal Mut. Loslassen ist wie ein Muskel, den man trainieren kann. Beginne mit bewussten kleinen Schritten, reflektiere deine Erfahrungen und baue darauf auf. Mit der Zeit wird es leichter – und die positiven Effekte auf dein Team werden dich bestärken.



