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Mut zur Lücke: Warum Führung nicht heißen muss, alles zu wissen
Früher hätte ein Satz wie dieser wohl für Stirnrunzeln gesorgt, oder für das Ende der Karriere:
“Ich habe keine Ahnung.”
Heute kann genau dieser Satz Vertrauen schaffen. Nicht, weil man nichts weiß, sondern weil man offen mit Unsicherheit und Unwissenheit umgeht.
Denn in einer Welt, in der Komplexität, Ungewissheit und ständiger, schneller Wandel den Takt vorgeben, ist der Anspruch, immer alles im Griff zu haben, nicht nur unrealistisch, er ist riskant. Wer permanent so tut, als wäre alles klar, verliert auf Dauer nicht nur Energie, sondern auch Vertrauen.
Der Mythos der allwissenden Führungskraft
Das Bild hält sich hartnäckig: Die souveräne Führungskraft, die nie wackelt. Die alles weiß, vorausschaut, vorbereitet ist. Die Mischung aus Schachgroßmeister, Krisenmanager und Psychologe. Aber Hand aufs Herz: Wer kann diesem Bild wirklich gerecht werden?
In der Praxis entsteht durch diesen Anspruch oft genau das Gegenteil von dem, was Führung bewirken soll:
- Entscheidungen verzögern sich
- Mitarbeitende schalten ab
- Teams verlieren Vertrauen
Warum? Weil man spürt, wenn etwas nur Fassade ist. Weil „Nichtwissen“, wenn es versteckt wird, mehr Unsicherheit erzeugt als Klarheit.
Dabei ist die Alternative gar kein Kontrollverlust, sondern ein bewusster Perspektivenwechsel. Wer sagt: “Ich weiß es gerade nicht, aber ich bleibe dran”, zeigt nicht Schwäche, sondern Souveränität.
Eine Geschäftsführerin, mit der ich gearbeitet habe, hat das eindrücklich vorgemacht. In einer Phase großer Veränderung sagte sie vor dem gesamten Team:
“Ich weiß, dass viele von euch verunsichert sind. Ganz ehrlich: Ich bin es auch. Aber ich nehme eure Fragen mit, ich halte euch auf dem Laufenden, und ich treffe Entscheidungen dort, wo sie jetzt nötig sind.”
Die Reaktion? Kein Murren. Kein Augenrollen. Sondern Respekt.
Denn sie hat Unsicherheit nicht versteckt, sondern greifbar gemacht. Diese Haltung signalisiert Authentizität und Verantwortungsübernahme.
Vom Ansagen zum Anregen
Wenn das alte Ideal der Führungskraft nicht mehr trägt… was tritt an seine Stelle?
Führung, die nicht auf alles eine Antwort hat, aber die richtigen Fragen stellt und Denkprozesse ermöglicht.
Ein Teamleiter brachte das in einem Strategie-Workshop auf den Punkt. Statt mit einer Lösung kam er mit einer Frage: “Was brauchen unsere Kunden in zwei Jahren, das sie heute noch nicht erwarten?”
Keine einfache Frage, aber eine, die Raum öffnete: für Diskussion, Ideen, Energie. Genau das ist Führung: nicht Festlegung, sondern Rahmung.
Wichtig ist dabei: Fragen stellen bedeutet nicht, sich aus der Verantwortung zu ziehen. Im Gegenteil. Gute Führung schafft Klarheit darüber, wer was entscheidet, nach welchen Kriterien und wo Spielräume bestehen.
Manche nennen das einen “Entscheidungsrahmen”. Ich finde das Bild eines Dirigenten treffender: Er kennt das Stück, gibt den Takt, spielt aber kein einziges Instrument selbst. Er vertraut auf die Kompetenz der Musikerinnen und Musiker. Er sorgt dafür, dass viele Stimmen zu einem harmonischen Klang werden.
So zeigt sich moderne Führung: nicht im Allwissensein, sondern im Ermöglichen.
Kollektive Intelligenz als Schlüssel zur Wirksamkeit
Wenn du nicht alles wissen musst, dann darfst du lernen, das Wissen anderer zu nutzen. Und das heißt: Verantwortung neu verstehen.
Verantwortung bedeutet nicht, jede Entscheidung selbst zu treffen. Es bedeutet, gute Entscheidungen zu ermöglichen… gemeinsam.
Das bedeutet konkret:
- Dein Team weiß Dinge, die du nicht weißt. Nutze das.
- Du musst nicht jede Entscheidung treffen – aber du musst klären, wie entschieden wird.
- Und du musst Strukturen schaffen, in denen Ideen gehört, abgewogen und umgesetzt werden können.
Das ist kein Laissez-faire. Sondern Führung mit System, Haltung und Vertrauen.
Ich erinnere mich an einen Führungskräfte-Workshop, in dem ein Team fast im “Wartemodus” war. Warum? Weil der Chef jede Entscheidung bei sich behielt. Als er begann, Entscheidungsräume bewusst zu übertragen, passierte etwas Erstaunliches: Das Team blühte auf.
Denn wer mitdenken darf, trägt mit und somit hatte er selbst endlich wieder den Kopf frei für die Themen, die wirklich bei ihm lagen.
Tipps für den Führungsalltag
Zum Schluss drei ganz praktische Impulse, wie du souverän mit Nichtwissen umgehst – und dabei sogar Vertrauen und Entscheidungskraft stärken kannst.
1. Sag offen, was du (noch) nicht weißt und was du trotzdem entscheidest
Nichtwissen wird führbar, wenn du es kombinierst mit einem klaren “Und trotzdem”:
“Ich weiß noch nicht, wie die neue Struktur genau aussehen wird. Aber ich weiß, dass wir bis Monatsende handlungsfähig bleiben müssen. Dafür priorisieren wir jetzt diese drei Themen.”
2. Nutze Entscheidungsformate, die Klarheit schaffen
Du musst nicht jede Entscheidung selbst treffen, aber du trägst die Verantwortung dafür, dass entschieden wird.
Strukturierte Entscheidungsprozesse helfen, Unsicherheit im Team gemeinsam zu tragen. Sie schaffen Orientierung und entlasten… dich und andere. Wichtig ist: Die Form muss zur Situation und zum Reifegrad des Teams passen.
Zum Beispiel:
- Delegation: Wer hat die fachliche Expertise? Wer kann sinnvoll und eigenverantwortlich entscheiden?
- Konsent: Gibt es schwerwiegende Einwände – oder ist die Entscheidung tragfähig genug für den nächsten Schritt?
- Rollenbasiert: Wer trägt inhaltlich die Verantwortung – unabhängig von Hierarchien?
So entstehen Beteiligung, Klarheit und Verbindlichkeit, ohne Kontrollverlust und ohne Chaos.
3. Definiere klare Entscheidungsräume
Viele Missverständnisse entstehen nicht, weil Entscheidungen falsch sind, sondern weil unklar ist, wer sie treffen darf – und wie weit der eigene Handlungsspielraum reicht.
Deshalb: Definiere bewusst, welche Entscheidungen in deinem Team von wem getroffen werden und unter welchen Voraussetzungen.
Ein hilfreiches Tool dafür ist das sogenannte “Entscheidungscanvas”.
Eine einfache Übersicht, die sichtbar macht,
- wer welche Entscheidung trifft,
- auf welcher Informationsbasis
- und innerhalb welcher Leitplanken.
Das schafft Sicherheit, entlastet dich selbst und stärkt gleichzeitig die Eigenverantwortung im Team.
Fazit
Führung heute ist kein Test, bei dem du alle Antworten kennen musst. Sie ist eher wie eine gute Moderation: Du sorgst dafür, dass das Beste aus allen Perspektiven zusammenkommt.
Was ich dir abschließend mitgeben möchte: Nichtwissen ist kein Problem, solange du weißt, wie du damit umgehst. Denn genau dann entsteht Raum für Vertrauen, Mitverantwortung und tragfähige Entscheidungen.
Vielleicht liegt deine größte Wirkung genau dort, wo du nicht alles weißt, aber bereit bist, den Raum zu öffnen, in dem gemeinsam gedacht, getragen und entschieden werden kann.