Führen mit Gefühl – Warum Intui­ti­on kein Soft Skill ist

August 5, 2025

Show­no­tes

📖 Buch “Neue Wege der Füh­rung”
🎧 Pod­cast “Ent­schei­dungs­na­vi­ga­tor”
🎬 Ent­schei­dungs­na­vi­ga­tor auf You­tube

Warum unser Bauch im Chef­ses­sel mit­re­det

„Wir ent­schei­den viel mehr unbe­wusst, als uns klar ist“, sagt mein Gast in dem Pod­cast Isa­bel­la gleich zu Beginn. Tat­säch­lich laufen die meis­ten Mikro-Ent­schei­dun­gen in unse­rem Ner­ven­sys­tem, lange bevor unser Ver­stand sie in Worte packt. Im Gespräch erin­nern wir uns an Füh­rungs­kräf­te, die vor lauter Zahlen und Tools ver­ges­sen hatten, dass ihr Körper längst Alarm schlug: eine harte Kie­fer­mus­ku­la­tur, das berühm­te Ziehen im Bauch, eine dif­fu­se Unruhe im Brust­korb.

Dieses Körper-Feed­back ist kein Zufall, son­dern Ergeb­nis von Erfah­rung. Jede Prä­sen­ta­ti­on, jede Pro­jekt­kri­se, jede geglück­te Ver­hand­lung hin­ter­lässt Spuren im lim­bi­schen System. Wenn eine ähn­li­che Situa­ti­on auf­taucht, meldet sich die Intui­ti­on – schnell, leise, kör­per­lich. Wer sie igno­riert, lässt einen Teil seiner Daten unge­nutzt.

Isa­bel­la:

„Unser Bauch ist die Black-Box für impli­zi­tes Wissen. Wenn du ihn aus­schal­test, fliegt dir später die Excel um die Ohren.“

Gerade dort, wo Fakten fehlen oder sich rasch ändern – neue Märkte, cross-funk­tio­na­le Pro­jek­te, Post-Merger-Situa­tio­nen – ist diese Tie­fen­spei­cher-Funk­ti­on Gold wert. Intui­ti­on ersetzt nicht die Ana­ly­se, sie ergänzt sie. Die Kunst liegt darin, beides bewusst zu kom­bi­nie­ren.

Doch genau hier liegt die Her­aus­for­de­rung: In vielen Orga­ni­sa­tio­nen ist das Bauch­ge­fühl immer noch ein Tabu. Ent­schei­dun­gen sollen nach­voll­zieh­bar, mess­bar, ratio­nal begrün­det sein. Ein Gefühl? Reicht nicht. Dabei zeigt die Praxis, dass Intui­ti­on oft das Züng­lein an der Waage ist, gerade dann, wenn der Ver­stand allein nicht wei­ter­weiß. Des­halb braucht es Füh­rungs­kräf­te, die wieder lernen, ihren Körper ernst zu nehmen: als Sensor, als Signal­ge­ber, als Früh­warn­sys­tem.

Ein neues Voka­bu­lar für Intui­ti­on ent­wi­ckeln

Ein Teil der Her­aus­for­de­rung besteht darin, über­haupt eine Spra­che für intui­ti­ve Pro­zes­se zu finden. Statt nur zu fragen “Was denkst du dar­über?”, könn­ten Füh­rungs­kräf­te auch fragen:

  • “Wie fühlt sich das für dich an?”
  • “Wo im Körper spürst du eine Reak­ti­on?
  • “Ist es stim­mig für dich?”

Isa­bel­la emp­fiehlt: “Ein Tipp an alle Füh­rungs­kräf­te da drau­ßen ist, nicht nur zu fragen ‘Was denkst du dar­über?’, son­dern auch ‘Wie fühlt es sich für dich an?’ – dass wir das wirk­lich rein­neh­men in unser daily Doing.”

Vom indi­vi­du­el­len Gespür zur kol­lek­ti­ven Intel­li­genz

Im zwei­ten Teil des Gesprächs zoom­ten wir vom Ein­zel­nen ins Team. Isa­bel­la beob­ach­tet: In Mee­tings reden oft die­sel­ben drei Men­schen, wäh­rend andere in Deckung gehen. Das Risiko: Eine Ent­schei­dung wird zwar formal getrof­fen, fühlt sich aber für die stille Mehr­heit nicht stim­mig an. Tage später stockt das Pro­jekt. Nicht aus bösem Willen, son­dern weil der innere Kom­pass vieler Betei­lig­ter auf Rot steht.

Das Gegen­mit­tel heißt Raum und Zeit. Eine Minute Stille vor der Abstim­mung kann mehr bewir­ken als zehn Minu­ten Dis­kus­si­on. Diese Mini-Metho­den wirken, weil sie etwas grund­le­gend ver­än­dern: Sie geben jedem im Raum die Erlaub­nis, inne­zu­hal­ten und auf sich selbst zu hören. Sie erlau­ben es, Unsi­cher­hei­ten zuzu­las­sen, ohne gleich eine fer­ti­ge Ant­wort haben zu müssen.

Bei­spiels­wei­se der „Münz­wurf“: Eine Füh­rungs­kraft wirft eine Münze, um zwi­schen zwei Optio­nen zu wählen, aber nicht, um der Münze zu folgen, son­dern um die eigene spon­ta­ne Reak­ti­on darauf zu beob­ach­ten. Hoffe ich ins­ge­heim auf Kopf? Erleich­tert mich das Ergeb­nis, oder zieht sich inner­lich alles zusam­men? Genau diese kör­per­li­che Reak­ti­on ist oft der ehr­lichs­te Indi­ka­tor.

Und dann wäre da noch das Prin­zip der Auf­stel­lung: Jede Person stellt sich im Raum auf einer Skala von 0 bis 10 auf – je nach­dem, wie stim­mig sich eine Ent­schei­dung anfühlt. So wird auf einen Blick sicht­bar: Wo liegen Span­nun­gen? Wer trägt mit – wer nicht? Und was braucht es, damit alle inner­lich mit­ge­hen können?

Diese For­ma­te sind ein­fach und radi­kal wirk­sam. Sie holen das Unaus­ge­spro­che­ne an die Ober­flä­che. Sie machen Intui­ti­on sicht­bar, ohne sie zer­re­den zu müssen. Und sie stär­ken die Eigen­ver­ant­wor­tung im Team, denn jede:r wird ein­ge­la­den, sich selbst ernst zu nehmen.

Die Basis für Intui­ti­on im Team: Psy­cho­lo­gi­sche Sicher­heit

All das funk­tio­niert nur, wenn Men­schen sich trauen, eine leise Ahnung aus­zu­spre­chen. Isa­bel­la bringt es auf den Punkt: „Intui­ti­on braucht ein Publi­kum, das zuhört, statt sofort zu urtei­len.“ Genau hier schlägt die Stunde der Füh­rungs­kraft. Wer gleich bei der ersten Irri­ta­ti­on die Stirn run­zelt oder in den „Beweis – bitte!“-Modus schal­tet, tötet jede leise Stimme.

Dabei braucht gerade die Intui­ti­on Schutz. Sie kommt oft vage daher, nicht per­fekt aus­for­mu­liert. Wer sie teilt, macht sich ein Stück weit ver­letz­lich. Des­halb ist psy­cho­lo­gi­sche Sicher­heit nicht optio­nal – sie ist essen­zi­ell. Sie ist das Klima, in dem Intui­ti­on gedei­hen kann.

Das beginnt mit Spra­che. Statt zu fragen „Was denkst du dar­über?“ hilft oft: „Wie fühlt sich das an?“ Oder: „Was sagt dein erster Impuls?“ Solche Fragen signa­li­sie­ren: Hier darf es auch leise sein. Hier ist nicht nur der scharf­sin­ni­ge Kopf gefragt, son­dern auch der feine Bauch.

Füh­rungs­kräf­te, die diese Räume schaf­fen, erle­ben oft Über­ra­schun­gen. Die lei­se­ren Team­mit­glie­der brin­gen plötz­lich neue Per­spek­ti­ven ein. Ent­schei­dun­gen werden trag­fä­hi­ger. Kon­flik­te ent­ste­hen sel­te­ner – nicht, weil alle einer Mei­nung sind, son­dern weil Unter­schie­de früher sicht­bar und besprech­bar werden.

Road­map: So trai­nierst du dein Führungsges­pür

  1. Körper-Check-in – Stelle dir drei­mal täg­lich den Timer. Frage: Wo im Körper spüre ich Span­nung? Notie­re stich­wort­ar­tig.
  2. Gefühls-Tage­buch – Halte für eine Woche fest, welche Ent­schei­dun­gen leicht oder schwer fielen. Ergän­ze die beglei­ten­de Emo­ti­on.
  3. Intui­ti­ons-Retro – Plane 30 Minu­ten pro Sprint, um zu prüfen: Wo hat uns das Bauch­ge­fühl gehol­fen? Wo hätten wir früher darauf hören können?
  4. Men­ta­le White-Spots – Lese bran­chen­frem­de Cases. Unter­schied­li­che Kon­tex­te füt­tern dein impli­zi­tes Erfah­rungs­ar­chiv.
  5. Spar­ring – Such dir eine:n Sparringspartner:in (Kolleg:in oder Coach), der oder die deine Intui­ti­on spie­gelt, ohne sie zu zer­re­den.

Diese fünf Schrit­te stam­men direkt aus unse­ren Coa­chings und kosten bei­na­he nichts außer Auf­merk­sam­keit. Wer sie kon­se­quent ein­führt, wird schon nach weni­gen Wochen merken: Ent­schei­dun­gen fallen flüs­si­ger, Dis­kus­sio­nen werden kürzer, das Team geht spür­bar mit.

FAQ: Intui­ti­on in der Füh­rung

Ist Intui­ti­on nicht zu sub­jek­tiv für geschäft­li­che Ent­schei­dun­gen?

Intui­ti­on ist nicht der Gegen­satz zu ratio­na­len Ent­schei­dun­gen, son­dern eine Ergän­zung. Sie basiert auf Erfah­rungs­wis­sen und kann kom­ple­xe Muster erken­nen, die bewuss­ten Ana­ly­sen ent­ge­hen. Die besten Ent­schei­dun­gen ver­bin­den ratio­na­le Ana­ly­se mit intui­ti­ven Ein­sich­ten.

Wie kann ich als Füh­rungs­kraft meine Intui­ti­on stär­ken?

Schaf­fe regel­mä­ßig Momen­te der Stille und Refle­xi­on. Achte auf kör­per­li­che Reak­tio­nen bei Ent­schei­dun­gen. Führe ein Intui­ti­ons-Tage­buch, in dem du Bauch­ge­füh­le notierst und später über­prüfst, wie zutref­fend sie waren.

Wie reagie­re ich, wenn mein Team skep­tisch gegen­über “wei­chen” Fak­to­ren wie Intui­ti­on ist?

Begin­ne mit klei­nen Schrit­ten. Führe Begrif­fe wie “Stim­mig­keit” ein, statt gleich von Intui­ti­on zu spre­chen. Zeige anhand kon­kre­ter Bei­spie­le, wie intui­ti­ve Ent­schei­dun­gen in der Ver­gan­gen­heit gehol­fen haben. Schaf­fe psy­cho­lo­gi­sche Sicher­heit, damit alle ihre Emp­fin­dun­gen teilen können.

Wie unter­schei­de ich zwi­schen echter Intui­ti­on und Vor­ur­tei­len oder Ängs­ten?

Echte Intui­ti­on fühlt sich oft ruhig und klar an, wäh­rend Angst und Vor­ur­tei­le mit Unruhe und star­ken Emo­tio­nen ver­bun­den sind. Reflek­tie­re kri­tisch: Basiert dein Gefühl auf Erfah­rungs­wis­sen oder auf unbe­grün­de­ten Annah­men? Ein Aus­tausch mit ver­trau­ten Per­so­nen kann helfen, blinde Fle­cken zu erken­nen.

Wie kann ich Intui­ti­on in bestehen­de Ent­schei­dungs­pro­zes­se inte­grie­ren?

Ergän­ze bestehen­de Pro­zes­se um Refle­xi­ons­fra­gen wie “Fühlt sich diese Ent­schei­dung stim­mig an?” oder “Was sagt unser Bauch­ge­fühl dazu?”. Plane bewusst Zeit für intui­ti­ve Ein­schät­zun­gen ein, bevor end­gül­ti­ge Ent­schei­dun­gen getrof­fen werden.

Fazit: Intui­ti­on ist Teil deiner Wirk­sam­keit

Am Ende unse­res Dia­logs bleibt ein klarer Appell: Intui­ti­on ist weder Eso­te­rik noch Luxus, son­dern Teil deiner pro­fes­sio­nel­len Daten­ba­sis. Je unsi­che­rer die Umge­bung, desto wert­vol­ler wird dieser innere Kom­pass. Fang bei dir an: Höre auf die Signa­le deines Kör­pers, gib ihnen Spra­che. Dann schaf­fe Räume, in denen auch dein Team sein kol­lek­ti­ves Gespür ein­brin­gen kann. So ent­steht eine Ent­schei­dungs­kul­tur, die nicht nur logisch bril­lant, son­dern auch leben­dig ist.

Denn letzt­lich ist es genau das, was moder­ne Füh­rung aus­macht: Hal­tung zeigen, ohne hart zu werden. Offen sein, ohne sich zu ver­lie­ren. Und den Mut haben, auch dem leisen Wissen eine Bühne zu geben – im eige­nen Körper wie im Team.

Über das Buch “Neue Wege der Füh­rung”

Neue Wege der Führung

In meinem neuen Buch “Neue Wege der Füh­rung” widme ich mich den zen­tra­len Span­nungs­fel­dern moder­ner Füh­rung: Intui­ti­on, Ver­trau­en und Mut. Ich zeige, wie Füh­rungs­kräf­te Hal­tung zeigen können, ohne hart zu werden, und wie sie auch in unsi­che­ren Zeiten hand­lungs­fä­hig blei­ben.

Christian Koudela

Entscheidungsnavigator, Autor, Berater & Trainer

Ich will echte Veränderungen ermöglichen und Unternehmen zu einem Ort machen, an dem Wertschätzung für die Leistungen und Kompetenzen aller Beteiligten zum Alltag gehört. An dem die Arbeit Freude und Sinn stiftet – ein arbeitswerter Ort ist. Und nicht nur ein Rettungsanker sein, mit dem du dich immer wieder von einer herausfordernden Entscheidung zur nächsten hangelst.

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