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Warum unser Bauch im Chefsessel mitredet
„Wir entscheiden viel mehr unbewusst, als uns klar ist“, sagt mein Gast in dem Podcast Isabella gleich zu Beginn. Tatsächlich laufen die meisten Mikro-Entscheidungen in unserem Nervensystem, lange bevor unser Verstand sie in Worte packt. Im Gespräch erinnern wir uns an Führungskräfte, die vor lauter Zahlen und Tools vergessen hatten, dass ihr Körper längst Alarm schlug: eine harte Kiefermuskulatur, das berühmte Ziehen im Bauch, eine diffuse Unruhe im Brustkorb.
Dieses Körper-Feedback ist kein Zufall, sondern Ergebnis von Erfahrung. Jede Präsentation, jede Projektkrise, jede geglückte Verhandlung hinterlässt Spuren im limbischen System. Wenn eine ähnliche Situation auftaucht, meldet sich die Intuition – schnell, leise, körperlich. Wer sie ignoriert, lässt einen Teil seiner Daten ungenutzt.
Isabella:
„Unser Bauch ist die Black-Box für implizites Wissen. Wenn du ihn ausschaltest, fliegt dir später die Excel um die Ohren.“
Gerade dort, wo Fakten fehlen oder sich rasch ändern – neue Märkte, cross-funktionale Projekte, Post-Merger-Situationen – ist diese Tiefenspeicher-Funktion Gold wert. Intuition ersetzt nicht die Analyse, sie ergänzt sie. Die Kunst liegt darin, beides bewusst zu kombinieren.
Doch genau hier liegt die Herausforderung: In vielen Organisationen ist das Bauchgefühl immer noch ein Tabu. Entscheidungen sollen nachvollziehbar, messbar, rational begründet sein. Ein Gefühl? Reicht nicht. Dabei zeigt die Praxis, dass Intuition oft das Zünglein an der Waage ist, gerade dann, wenn der Verstand allein nicht weiterweiß. Deshalb braucht es Führungskräfte, die wieder lernen, ihren Körper ernst zu nehmen: als Sensor, als Signalgeber, als Frühwarnsystem.
Ein neues Vokabular für Intuition entwickeln
Ein Teil der Herausforderung besteht darin, überhaupt eine Sprache für intuitive Prozesse zu finden. Statt nur zu fragen “Was denkst du darüber?”, könnten Führungskräfte auch fragen:
- “Wie fühlt sich das für dich an?”
- “Wo im Körper spürst du eine Reaktion?
- “Ist es stimmig für dich?”
Isabella empfiehlt: “Ein Tipp an alle Führungskräfte da draußen ist, nicht nur zu fragen ‘Was denkst du darüber?’, sondern auch ‘Wie fühlt es sich für dich an?’ – dass wir das wirklich reinnehmen in unser daily Doing.”
Vom individuellen Gespür zur kollektiven Intelligenz
Im zweiten Teil des Gesprächs zoomten wir vom Einzelnen ins Team. Isabella beobachtet: In Meetings reden oft dieselben drei Menschen, während andere in Deckung gehen. Das Risiko: Eine Entscheidung wird zwar formal getroffen, fühlt sich aber für die stille Mehrheit nicht stimmig an. Tage später stockt das Projekt. Nicht aus bösem Willen, sondern weil der innere Kompass vieler Beteiligter auf Rot steht.
Das Gegenmittel heißt Raum und Zeit. Eine Minute Stille vor der Abstimmung kann mehr bewirken als zehn Minuten Diskussion. Diese Mini-Methoden wirken, weil sie etwas grundlegend verändern: Sie geben jedem im Raum die Erlaubnis, innezuhalten und auf sich selbst zu hören. Sie erlauben es, Unsicherheiten zuzulassen, ohne gleich eine fertige Antwort haben zu müssen.
Beispielsweise der „Münzwurf“: Eine Führungskraft wirft eine Münze, um zwischen zwei Optionen zu wählen, aber nicht, um der Münze zu folgen, sondern um die eigene spontane Reaktion darauf zu beobachten. Hoffe ich insgeheim auf Kopf? Erleichtert mich das Ergebnis, oder zieht sich innerlich alles zusammen? Genau diese körperliche Reaktion ist oft der ehrlichste Indikator.
Und dann wäre da noch das Prinzip der Aufstellung: Jede Person stellt sich im Raum auf einer Skala von 0 bis 10 auf – je nachdem, wie stimmig sich eine Entscheidung anfühlt. So wird auf einen Blick sichtbar: Wo liegen Spannungen? Wer trägt mit – wer nicht? Und was braucht es, damit alle innerlich mitgehen können?
Diese Formate sind einfach und radikal wirksam. Sie holen das Unausgesprochene an die Oberfläche. Sie machen Intuition sichtbar, ohne sie zerreden zu müssen. Und sie stärken die Eigenverantwortung im Team, denn jede:r wird eingeladen, sich selbst ernst zu nehmen.
Die Basis für Intuition im Team: Psychologische Sicherheit
All das funktioniert nur, wenn Menschen sich trauen, eine leise Ahnung auszusprechen. Isabella bringt es auf den Punkt: „Intuition braucht ein Publikum, das zuhört, statt sofort zu urteilen.“ Genau hier schlägt die Stunde der Führungskraft. Wer gleich bei der ersten Irritation die Stirn runzelt oder in den „Beweis – bitte!“-Modus schaltet, tötet jede leise Stimme.
Dabei braucht gerade die Intuition Schutz. Sie kommt oft vage daher, nicht perfekt ausformuliert. Wer sie teilt, macht sich ein Stück weit verletzlich. Deshalb ist psychologische Sicherheit nicht optional – sie ist essenziell. Sie ist das Klima, in dem Intuition gedeihen kann.
Das beginnt mit Sprache. Statt zu fragen „Was denkst du darüber?“ hilft oft: „Wie fühlt sich das an?“ Oder: „Was sagt dein erster Impuls?“ Solche Fragen signalisieren: Hier darf es auch leise sein. Hier ist nicht nur der scharfsinnige Kopf gefragt, sondern auch der feine Bauch.
Führungskräfte, die diese Räume schaffen, erleben oft Überraschungen. Die leiseren Teammitglieder bringen plötzlich neue Perspektiven ein. Entscheidungen werden tragfähiger. Konflikte entstehen seltener – nicht, weil alle einer Meinung sind, sondern weil Unterschiede früher sichtbar und besprechbar werden.
Roadmap: So trainierst du dein Führungsgespür
- Körper-Check-in – Stelle dir dreimal täglich den Timer. Frage: Wo im Körper spüre ich Spannung? Notiere stichwortartig.
- Gefühls-Tagebuch – Halte für eine Woche fest, welche Entscheidungen leicht oder schwer fielen. Ergänze die begleitende Emotion.
- Intuitions-Retro – Plane 30 Minuten pro Sprint, um zu prüfen: Wo hat uns das Bauchgefühl geholfen? Wo hätten wir früher darauf hören können?
- Mentale White-Spots – Lese branchenfremde Cases. Unterschiedliche Kontexte füttern dein implizites Erfahrungsarchiv.
- Sparring – Such dir eine:n Sparringspartner:in (Kolleg:in oder Coach), der oder die deine Intuition spiegelt, ohne sie zu zerreden.
Diese fünf Schritte stammen direkt aus unseren Coachings und kosten beinahe nichts außer Aufmerksamkeit. Wer sie konsequent einführt, wird schon nach wenigen Wochen merken: Entscheidungen fallen flüssiger, Diskussionen werden kürzer, das Team geht spürbar mit.
FAQ: Intuition in der Führung
Ist Intuition nicht zu subjektiv für geschäftliche Entscheidungen?
Intuition ist nicht der Gegensatz zu rationalen Entscheidungen, sondern eine Ergänzung. Sie basiert auf Erfahrungswissen und kann komplexe Muster erkennen, die bewussten Analysen entgehen. Die besten Entscheidungen verbinden rationale Analyse mit intuitiven Einsichten.
Wie kann ich als Führungskraft meine Intuition stärken?
Schaffe regelmäßig Momente der Stille und Reflexion. Achte auf körperliche Reaktionen bei Entscheidungen. Führe ein Intuitions-Tagebuch, in dem du Bauchgefühle notierst und später überprüfst, wie zutreffend sie waren.
Wie reagiere ich, wenn mein Team skeptisch gegenüber “weichen” Faktoren wie Intuition ist?
Beginne mit kleinen Schritten. Führe Begriffe wie “Stimmigkeit” ein, statt gleich von Intuition zu sprechen. Zeige anhand konkreter Beispiele, wie intuitive Entscheidungen in der Vergangenheit geholfen haben. Schaffe psychologische Sicherheit, damit alle ihre Empfindungen teilen können.
Wie unterscheide ich zwischen echter Intuition und Vorurteilen oder Ängsten?
Echte Intuition fühlt sich oft ruhig und klar an, während Angst und Vorurteile mit Unruhe und starken Emotionen verbunden sind. Reflektiere kritisch: Basiert dein Gefühl auf Erfahrungswissen oder auf unbegründeten Annahmen? Ein Austausch mit vertrauten Personen kann helfen, blinde Flecken zu erkennen.
Wie kann ich Intuition in bestehende Entscheidungsprozesse integrieren?
Ergänze bestehende Prozesse um Reflexionsfragen wie “Fühlt sich diese Entscheidung stimmig an?” oder “Was sagt unser Bauchgefühl dazu?”. Plane bewusst Zeit für intuitive Einschätzungen ein, bevor endgültige Entscheidungen getroffen werden.
Fazit: Intuition ist Teil deiner Wirksamkeit
Am Ende unseres Dialogs bleibt ein klarer Appell: Intuition ist weder Esoterik noch Luxus, sondern Teil deiner professionellen Datenbasis. Je unsicherer die Umgebung, desto wertvoller wird dieser innere Kompass. Fang bei dir an: Höre auf die Signale deines Körpers, gib ihnen Sprache. Dann schaffe Räume, in denen auch dein Team sein kollektives Gespür einbringen kann. So entsteht eine Entscheidungskultur, die nicht nur logisch brillant, sondern auch lebendig ist.
Denn letztlich ist es genau das, was moderne Führung ausmacht: Haltung zeigen, ohne hart zu werden. Offen sein, ohne sich zu verlieren. Und den Mut haben, auch dem leisen Wissen eine Bühne zu geben – im eigenen Körper wie im Team.